Quelle: Niklas Franzen
In kaum einer anderen Stadt der Welt ist soziale Ungleichheit ausgeprägt wie in São Paulo. Während in der Innenstadt schicke Bürotürme, moderne Einkaufszentren und bewachte Wohnanlagen das Stadtbild dominieren, leben Millionen von Menschen in den armen Randgebieten. Trotz partieller Reformen in den vergangenen Jahren durchlebt die größte Stadt der Südhalbkugel eine schwere Wohnungskrise. Die Immobilienspekulation treibt die Preise in astronomische Höhen. Von 2009 bis 2015 haben sich die Grundstückpreise verdreifacht und die Mieten verdoppelt. Immer mehr Menschen landen auf der Straße. Für viele Bewohner*innen der Megacity bleibt keine andere Möglichkeit als Wohnraum zu besetzen.
Im Zuge der Re-Demokratisierung Brasiliens Ende der 1980er Jahre entstanden die ersten Wohnungslosenbewegungen. Heute sind sie immer noch Ausdruck einer auf Segregation und Verdrängung beruhenden Stadtentwicklung. Neben ihrer politischen Symbolik, bieten die Besetzungen der Wohnungslosen aber auch zehntausenden Menschen ein Zuhause. Mehr als 50 Häuser werden in der Innenstadt von São Paulo besetzt gehalten – Tendenz steigend.
Doch auch in den Randgebieten sind soziale Bewegungen aktiv. Insbesondere die Bewegung der Arbeiter ohne Dach (Movimento dos Trabalhadores Sem Teto - MTST) erlangte in den letzten Jahren durch Massenbesetzungen und Großdemonstrationen Aufmerksamkeit. Mit ihrer radikalen Kritik an neoliberaler Stadtplanung, aber auch am gegenwärtigen politischen Rechtsruck, hat die MTST einen Nerv getroffen und gilt daher heute als wichtigste Stimme der städtischen Armen in Brasilien.
Die Veranstaltung wird der Frage nachgehen, wie sich die Wohnungslosenbewegungen in São Paulo urbanen Raum erkämpfen und welche alternativen Stadtentwicklungsmodelle sie bereithalten.
Referent: Niklas Franzen ist Journalist. Er ist u.a. Redakteur der Lateinamerika Nachrichten in Berlin und forscht zu Wohnungslosenbewegungen in São Paulo.